Gemeinsam geerbtes Familienunternehmen - Krach vorprogrammiert?

| Ulrich Dehner
Wie sollte die Zusammenarbeit in Familienunternehmen gestaltet werden, damit genau das nicht passiert? Es gibt ein paar einfache Maßnahmen, die das Konfliktpotenzial minimieren können.
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Sehr viele Probleme in Familienunternehmen, in denen mehrere Familienmitglieder mitarbeiten, ergeben sich aus dem Umstand, dass unterschiedliche „Systeme“ durcheinander gewürfelt werden, weil die unterschiedlichen Rollen nicht klar voneinander geschieden werden. Nehmen wir als Beispiel folgenden Fall: Zwei Brüder haben das Familienunternehmen geerbt, und sie haben sich einvernehmlich folgende Aufgaben zugeteilt: Albert wird als Geschäftsführer das Unternehmen leiten, während Bertram, der auch gar kein Interesse an unternehmerischen Aufgaben hat, lediglich als Bereichsleiter mitarbeiten wird.

In der Zusammenarbeit stellten sich immer wieder Schwierigkeiten und Konflikte ein, wenn der „Geschäftsführer“, der ein Gespräch mit seinem „Bereichsleiter“ führte, mit diesem über irgendeinen Sachverhalt uneins war. Wenn man sich gar nicht einigen konnte, kam es öfter zu Aussagen wie: „Du kannst das jetzt aber nicht einfach nach deinem Gutdünken entscheiden, ich habe hier schließlich auch etwas zu sagen, immerhin bin ich Mitinhaber!“

Systemisch betrachtet kam es hier zu einem Rollenwechsel, aus dem „Bereichsleiter“ wurde plötzlich der „Mitinhaber“ und wenn es ganz schlecht lief, und der Streit weiter eskalierte, wechselte einer von beiden in die Rolle des „Bruders“ und es wurden auch noch alte Familiengeschichten mit ihren wechselseitigen Verletzungen ausgegraben: „Du warst schon immer so dominant und wolltest alles bestimmen!“ kontra „Du hast noch nie kapiert, wie man das richtig macht!“ Wenn die zwei Streithähne so aufeinander losgingen, herrschte noch Tage später dicke Luft.

In einem anderen Beispiel waren es ein Bruder und eine Schwester, die das elterliche Unternehmen gemeinsam erbten. Doch während der Bruder sich schon früh für die Mitarbeit im Unternehmen entschieden hatte, wollte die Schwester lieber Architektin werden und übte diesen Beruf auch erfolgreich aus. Als stille Teilhaberin war sie jahrelang sehr einverstanden mit der Geschäftsführung ihres Bruders, sprich, sie kümmerte sich überhaupt nicht um den Betrieb. Eines Tages jedoch – sie war mit ihrem Bruder zum Essen verabredet – musste sie eine Weile in seinem Büro darauf warten, dass er ein Meeting beendete. Ihr fiel ein neugestalteter Firmenkatalog ins Auge und während sie ihn durchblätterte, fand sie ihn von Minute zu Minute inakzeptabler. In ihren Augen konnte man so etwas unmöglich in die Öffentlichkeit geben. Als ihr Bruder schließlich kam, überfiel sie ihn sofort mit ihrer heftigen Kritik. Der Bruder versuchte zunächst, ihr zu erklären, warum man den Katalog so gestaltet hatte, doch als das nichts fruchtete, wurde er ärgerlich und kehrte schließlich den Geschäftsführer raus: „Du hast dich jahrelang nicht um die Firma gekümmert, also lass jetzt die Finger von Sachen, von denen du keinen blassen Schimmer hast. Ich bin es, der die Firma leitet, also bin ich es auch, der bestimmt, wie wir nach außen auftreten!“ Das wollte die Schwester natürlich nicht gelten lassen und schlüpfte ihrerseits in die Rolle der Mitinhaberin: „Du hast wohl vergessen, dass diese Firma zur Hälfte mir gehört. Ich habe schon ein Wörtchen mitzureden, mein Lieber! Das wollen wir doch mal sehen!“

Das Ende vom Lied war, dass zwei Anwälte ganz prächtig verdienten und eine einstmals gute geschwisterliche Beziehung beim Teufel war.

Kehren wir noch mal zu Albert und Bertram zurück: Kurz bevor die beiden davor waren, nur noch per Anwalt miteinander zu verkehren, wurde ihnen von wohlmeinender Seite (den Ehefrauen) ein Coaching vorgeschlagen.

Im Coaching wurde mit ihnen erarbeitet, dass es für die gedeihliche Zusammenarbeit und den Familienfrieden sehr wichtig ist, dass sie immer absolute Klarheit darüber herstellen, in welcher Rolle sie gerade miteinander zu tun haben: Ob als Geschäftsführer mit Bereichsleiter, ob als zwei Mitinhaber der Firma oder ob als Brüder. Um die Sache zu erleichtern, wurde für den Anfang festgelegt, dass es unterschiedliche Orte für die unterschiedlichen Rollen gibt: „Geschäftsführer“ zu „Bereichsleiter“ im Chefbüro, „Mitinhaber“-Gespräch im neutralen Besprechungsraum, „Brüder“ in den privaten Wohnzimmern. Auf diese Art und Weise gelang es den beiden, wieder ohne eskalierende Streitereien miteinander zu kommunizieren.

Man kann, wenn man zu mehreren ein Unternehmen erbt oder übernimmt, vorher auch vertraglich vereinbaren, wer welche Rolle innehat, und welche Befugnisse dazugehören, das hätte Bruder und Schwester im Beispiel eine Menge Ärger und Geld erspart. Letztlich kam es nur deswegen zu einem desaströsen Streit, weil bei ihnen eine Rollenvermischung auf verschiedenen Systemebenen stattgefunden hat.

Unter systemischen Gesichtspunkten ist es immer konfliktträchtig, wenn unterschiedliche „Systeme“ miteinander vermischt werden. Das kann zum Beispiel auch in anderen als Familienunternehmen vorkommen, wenn etwa der Abteilungsleiter seine Rolle als Chef nicht wahrnimmt und einer aus dem Team den „informellen Chefsessel“ besetzt. Früher oder später wird es zum Knatsch kommen, weil die anderen Kollegen ihn als einen aus dem System Team ansehen und auch dort haben wollen, während er sich als zum System Chef gehörig verhält.