Nachfolger – verzweifelt gesucht

| Ulrich Dehner
Viele mittelständische Betriebe werden vom Markt verschwinden, weil es nicht gelingt, Nachfolger für die Firmenleitung zu finden. Unter diesen Firmen sind häufig Familienunternehmen, bei denen die Übergabe scheitert, weil es Uneinigkeit zwischen der Gründer- und der Nachfolgegeneration gibt. Dabei gibt es durchaus Wege, wie ein Wechsel so gestaltet werden kann, dass Eltern, Nachkommen und nicht zuletzt die Firma mit dem Ergebnis zufrieden sind.
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Es ist erschreckend: Laut einer Studie der KfW werden bis Ende 2025 fast eine halbe Million mittelständische Betriebe vor dem Aus stehen, zum Teil, weil ein geplanter Verkauf scheitert, aber zum großen Teil auch, weil kein Nachfolger bereit ist, den Laden weiterzuführen. Dabei ist es elementar für die Produktivität unserer Volkswirtschaft, dass Unternehmen an die nächste Generation weitergegeben werden können. Die Chef-Ökonomin der KfW, Fritzi Köhler-Geib, sagt dazu folgendes: „Ein echter Verlust für die Wirtschaft sind Geschäftsaufgaben von erfolgreichen Unternehmen, die ihren Nachfolgewunsch trotz wirtschaftlicher Attraktivität mangels geeigneter Kandidaten aufgeben.“ Die Schwierigkeiten, innerhalb der Familie eine Lösung zu finden, wachsen.

Was läuft da schief?

Es gibt spezifische Schwierigkeiten, die immer wieder auftauchen. Eine typische Situation ist beispielsweise, dass Vater oder Mutter das Unternehmen nach dem Krieg gründeten und mit viel Fleiß, Opferungsbereitschaft und Praxiswissen erfolgreich gemacht haben. Als verantwortungsbewusste Eltern unterstützten sie ihre Kinder darin zu studieren – oder drängten sie geradezu zu einem Studium, gern zum Beispiel der BWL, weil es eben schon geplant war, dass das Unternehmen in Familienhand bleiben soll.

Ganz abgesehen von den Fällen, wo bei den Töchtern oder Söhnen gar keine Bereitschaft vorhanden ist, den Betrieb zu übernehmen, weil ihre Interessen ganz woanders liegen, können sich Hindernisse für die Firmenübernahme auch dort auftürmen, wo die Kinder große Bereitschaft besitzen, das Unternehmen weiterzuführen. Das beginnt häufig in dem Moment, in dem Juniorin oder Junior im Unternehmen zeigen wollen, was sie alles gelernt haben, was sie draufhaben. Das geschieht aus dem verständlichen Wunsch heraus, unter Beweis zu stellen, dass sie nicht „von Beruf Tochter oder Sohn“ sind, sondern etwas können. Es ist ja auch in der Tat eine der ersten Aufgaben der möglichen Nachfolger, sich im Betrieb zu etablieren und Akzeptanz der Mitarbeiter zu erzielen – ebenso wie die Akzeptanz und Anerkennung der Eltern.

Das setzt unter Umständen schon eine problematische Dynamik in Gang: Um zu zeigen, was er kann, will der Nachwuchs die veralteten Strukturen verändern, weil er die Schwierigkeiten, die in Zukunft damit einhergehen werden, zu erkennen gelernt hat, beharrt darauf, dass vieles heute ganz anders gehandhabt würde, will vielleicht das Produktportfolio auf den neuesten Stand bringen, die Arbeit neu organisieren – und erkennt nicht, dass er mit all diesen Vorschlägen quasi das Lebenswerk der Vorgängergeneration infrage stellt. Was Tochter oder Sohn sagen kommt nicht als produktiver Vorschlag an, sondern als Kritik. Die bisherige Chefin oder der Chef kommen damit oft nicht gut klar, denn erstens sind sie nicht daran gewöhnt, überhaupt kritisiert zu werden und zweitens sind sie auch zurecht stolz auf das Erreichte. Aus der anfänglichen Irritation wird häufig handfester Ärger, wenn sich der Gedanke einschleicht: „Soll das jetzt alles Mist sein, was ich geschaffen habe?“ Was sich jahrzehntelang bewährt hat, soll plötzlich nichts mehr wert sein? Das kann ja wohl nicht wahr sein! Weshalb all die guten Vorschläge abgeschmettert werden als akademische Luftnummern, während die Realität ganz anders aussieht und man selbst als alter Praktiker genau weiß, wie es läuft und zu laufen hat. Gedanklich (oder laut) wird dann meist noch ein „Basta“ daran gehängt.

Mutter oder Vater verstehen nicht, dass es dem Nachwuchs nur darum geht zu zeigen, dass und was sie ebenfalls draufhaben. Während die Jungen nicht verstehen, weshalb die Altvorderen so empfindlich reagieren und sich durch die vermeintliche „Kritik“ nicht akzeptiert oder gar abgewertet fühlen. Die Diskussionen werden heftiger und die vorgebrachten „Argumente“ immer pauschaler. Damit geht einher, dass die gegenseitigen Abwertungen immer massiver werden, bis es im Extremfall bei den Jungen zur Entscheidung kommt, so nicht arbeiten zu wollen und lieber ein eigenes Unternehmen zu gründen, als unter der „Fuchtel“ der Alten zu bleiben. Und am Schluss sind alle unglücklich.

Unglücklich sind beide Seiten, weil sie nicht verstehen, worum es dem anderen geht. Die Eltern vermissen den Respekt gegenüber ihrer Leistung und der Nachwuchs vermisst die Wertschätzung gegenüber den eigenen Fähigkeiten und gegenüber dem eigenen Engagement für die Firma, die sie schließlich erhalten und zukunftstauglich machen wollen. Gefährlich wird dieses gegenseitige Missverstehen, wenn es soweit eskaliert, dass es zu Angriffen, Verteidigungen und Gegenangriffen kommt, dann ist der Familienkrieg nicht mehr weit.

Welcher Weg führt aus diesem Dilemma?

Die Elterngeneration sollte auf jeden Fall die grundsätzliche Bereitschaft besitzen, ehrlich sich selbst gegenüber zu sein und selbstkritisch zu analysieren, in welchen Bereichen Juniorin oder Junior besser ist als man selbst. Das Ergebnis dieser Analyse sollte auch ehrlich kommuniziert werden und die Jungen sollten mit Aufgaben betraut werden, wo sie diese besseren Fähigkeiten einsetzen können. Ein solcher Vertrauensbeweis führt dazu, dass die Nachfolger sich wertgeschätzt und aufgebaut fühlen – was wiederum dazu führt, dass auch die Nachfolger ihren Respekt für die Leistungen und Stärken der vorherigen Generation deutlich zeigen können. So entsteht eine positive Verstärkungsschleife, die auch der Firma guttut, wenn die unterschiedlichen Stärken genutzt werden.

Im nächsten Beitrag werden wir beschreiben, welche Möglichkeiten es gibt, die Kommunikation in Familienbetrieben so zu gestalten, dass verhindert wird, Betriebliches mit Familiärem zu vermischen, sodass das eine nicht das andere beeinträchtigt oder gar vergiftet.