Personalentwicklung ist gut – Persönlichkeitsentwicklung ist besser!

| Ulrich Dehner
„Die Leute kommen wegen der Firma und gehen wegen der Führungskräfte.“
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Diesen Spruch kennen Sie sicherlich. Er hat durchaus seine Berechtigung, weshalb Persönlichkeitsentwicklung für Manager zu einem wichtigen, manche Studien sagen zu einem unerlässlichen, Bestandteil ihrer Qualifikation gehört. So veröffentlichte zum Beispiel der Deutsche Gewerkschaftsbund im Januar eine Umfrage, wonach fast die Hälfte aller Beschäftigten Angst hat vor ihren Vorgesetzten. Demnach äußerten 44 % der Befragten, dass sie sich nicht trauen, bei ihrem Chef offen Probleme anzusprechen. Eine Folge davon: Wenn Beschäftigte sich nicht trauen, Probleme anzusprechen, denken sie eher daran, den Arbeitgeber zu wechseln. Welche Firma kann sich das in Zeiten, da gute Mitarbeiter händeringend gesucht werden, eigentlich noch leisten? Persönlichkeitsentwicklung für Führungskräfte kann da Abhilfe schaffen, denn eine souveräne Führungskraft wird Mitarbeiter jederzeit ermutigen und unterstützen, auch Schwierigkeiten offen zu thematisieren. Souveränität, Gelassenheit, Verständnis für andere, Mut zur Offenheit, all das sind Merkmale einer reifen Persönlichkeit und die durch Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden.

Die Gründe, weshalb Persönlichkeitsentwicklung so wichtig ist, gehen jedoch noch weiter, als da sind: veränderte Arbeitsbedingungen zehren an der eigenen Energie, ein grundlegend anderes Führungsverständnis verlangt andere Führungspersönlichkeiten, zunehmender Stress greift die eigenen Ressourcen an.

Fangen wir mit diesem Stress an. Unabhängig von äußerem Stress, der belastend genug ist, leiden Menschen meist noch mehr unter dem inneren Stress, der erzeugt wird vom Druck, den sie sich selbst machen, von den vielen Unsicherheiten, die die moderne Arbeitswelt mit sich bringt, oder der Angst, den Anforderungen nicht zu genügen, um nur ein paar Gründe zu nennen. Dieser innere Stress geht einher mit quasi kindlichen Reaktionen, sodass jemand zum Beispiel völlig die Beherrschung verliert, losschreit oder gar mit Sachen um sich wirft. Solche Verhaltensweisen stammen tatsächlich aus der Kindheit. Da ist ein kindlicher Anteil sozusagen hängengeblieben, er hat sich im wahrsten Sinn des Wortes nicht weiterentwickelt zu einem reifen Verhalten.

Persönlichkeitsentwicklung, die ihrem Anspruch gerecht wird, setzt genau da an: Einem kindlichen, unreifen Persönlichkeitsanteil die Chance zu geben, zu wachsen, zu einem reifen, erwachsenen Anteil zu werden.

Um zu verstehen, warum Persönlichkeitsentwicklung, die diesen Namen verdient, kein oberflächliches Polieren der eigenen Fassade ist, sondern zu einer tiefgreifenden Veränderung führen kann, die den ganzen Menschen reifen lässt, muss man etwas darüber wissen, wie es überhaupt zu den inneren Stressreaktionen kommt. Der kindliche Teil, der sich dabei zeigt, der wurde damals nicht versorgt: Es war kein Erwachsener da, der dem Kind von damals geholfen hätte, mit der Wut, der Angst, dem Zorn oder der Trauer fertig zu werden. Vielleicht waren die Eltern tatsächlich gar nicht da oder sie haben nicht verstanden, was das Kind braucht oder sie waren selbst, warum auch immer, gefühlsmäßig nicht in der Lage, dem Kind das Richtige zu geben.

Weil das Ereignis, das diese heftigen negativen Gefühle ausgelöst hat, so unangenehm, bedrohlich und schlimm war, vielleicht sogar als lebensgefährlich vom Kind empfunden wurde, hat sich im Gehirn, genauer in der Amygdala im limbischen System, das für die Gefühlsverarbeitung zuständig ist, ein Alarm installiert. Dieser Alarm wird auch noch beim Erwachsenen immer dann ausgelöst, wenn eine Situation Anzeichen dafür zeigt, dass sie sich wieder genau in diese Richtung entwickeln könnte.

Der Stress, der mit diesem Alarm verbunden ist, ist so unangenehm, dass man sich dem nicht freiwillig aussetzt. Das heißt leider auch, dass man mit diesem Persönlichkeitsanteil, der mit Angst, Trauer, Wut usw. verbunden ist, nichts zu tun haben will. Man schiebt ihn vor sich selbst weg, man mag nicht daran denken, sich nicht damit auseinandersetzen, man leugnet ihn am besten ganz. Denn wenn man mit diesem Teil, den man nicht mag, in Kontakt kommt, dann melden sich natürlich auch all die damit verbundenen negativen Gefühle. Um denen zu entgehen, spaltet man diesen Persönlichkeitsanteil so gut es geht ab. Das hat jedoch zur Folge, dass er in seiner „kindlichen“ Entwicklungsstufe hängenbleibt.

Es gibt genügend Trainer und selbsternannte Gurus, die nun nicht müde werden zu propagieren, die Menschen müssten „besser mit sich selbst umgehen“, um zu einer glücklichen und gelassenen Persönlichkeit zu werden. Leider sagen sie nicht dazu, was genau das eigentlich heißt. Gehe ich besser mit mir um, wenn ich für etwas mehr Freizeit, Bewegung an der frischen Luft, gesünderes Essen und mehr Schlaf sorge? Ohne jede Frage – aber macht mich das zu einem reiferen Menschen? Keineswegs – jedenfalls nicht, wenn ich bei jeder Situation, die den Alarm auslöst, wieder so in Stress komme, dass der abgespaltene, kindliche Anteil durchbricht. Wenn ich es jedoch schaffe, diesen kindlichen Anteil zu integrieren, ihn als meinen Teil anerkenne, ihm die Aufmerksamkeit gebe, die er braucht, dann kann dieser Teil „nachreifen“. IntrovisionCoaching ist so eine Möglichkeit, Persönlichkeitsanteile, die Stress verursachen, nachreifen zu lassen.

Einfache Appelle hingegen, sich selbst mehr zu lieben und zu respektieren, verschärfen oft genug das Problem noch: Man ist ja intelligent genug, einzusehen, dass da der Hund begraben liegt, also versucht man auf dem bewussten, mentalen Weg, „besser mit sich umzugehen“. Man ist aber auch intelligent genug zu merken, dass es nicht funktioniert – und hält das dann auch noch für einen weiteren eigenen Fehler! Was passiert? Man beschimpft sich innerlich für die eigene „Unfähigkeit“, etwas zu können, was ja wohl „alle anderen“ mit Leichtigkeit hinkriegen. So kommt zu der Unzufriedenheit mit den ungeliebten Anteilen noch eine weitere hinzu.

Das Weiterentwickeln der eigenen Persönlichkeit hin zu mehr Souveränität, Gelassenheit, Selbstvertrauen funktioniert nicht über einfaches Bewusstmachen, das ist höchstens ein erster Schritt, aber noch nicht die Lösung. Was genau noch alles zu passieren hat, darüber schreibe ich im nächsten Newsletter.