Richtige Fragen stellen

| Ulrich Dehner
In der Coachingausbildung ist das Fragen stellen ein ganz wichtiges Thema. Wer als Coach erfolgreich sein will, sollte in der Coachingausbildung auf jeden Fall trainieren, mit welchen Fragen die Welt des Coachees am besten zu verstehen ist. Gerade zu Beginn einer Coachingausbildung fällt das richtige Fragen den Teilnehmern oft schwer. Das beginnt schon damit, dass sie nicht zwischen den verschiedenen Fragetypen unterscheiden.
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Sie beginnen mit einer guten offenen Frage, doch wenn nicht sofort eine Antwort kommt, erweitern sie die ursprüngliche Frage entweder zu einer multiple choice Frage: „Liegt es eher daran, oder daran oder daran?“ Oder sie schieben drei andere Fragen hinterher, weil sie die Pause zwischen Frage und Antwort nicht aushalten. Wenn man absichtlich drei Fragen in einem Atemzug stellt, kann das zwar diagnostisch ganz interessant sein, denn die Frage, die der Coachee beantwortet, ist wahrscheinlich die harmloseste, also kommt es auf die anderen an. Doch geschieht das in der Coachingausbildung eher selten. Der Grund ist vielmehr, dass man noch nicht gelernt hat zu warten. Dabei lohnt sich das Warten, denn die Pause ist ein Zeichen dafür, dass der Klient/die Klientin erst über die Frage nachdenken muss, weil er oder sie sie sich selbst so noch nie gestellt hat. Auf „bekannte“ Fragen kommt normalerweise sofort eine Antwort, die jedoch offenbar nicht weitergebracht hat. Wenn der Coach die Pause nicht aushält, stört er die inneren Suchprozesse, die die Frage ausgelöst hat.

Welche Fragetypen spielen in der Coachingausbildung welche Rolle? Zur Informationsgewinnung braucht man die offenen Fragen, die nicht einfach mit Ja oder Nein beantwortet werden können, sondern die ganze Sätze als Antwort erfordern. Die Ja/Nein-Fragen braucht man, wenn man Informationen absichern will, sind also auch wichtig. Man setzt sie ein, um sicherzustellen, dass man alles richtig verstanden hat. Ganz selten braucht man Multiple Choice Fragen. Sie haben jedoch ihre Berechtigung, wenn man jemanden, der sehr kopflastig ist und wenig Zugang zu seinen Gefühlen hat, nach genau diesen befragt. Solchen Menschen fehlt oft das Vokabular, um ihre Gefühle richtig zu benennen. Da ist es hilfreich, wenn der Coach unterstützend fragen kann: „Wie ist es Ihnen in dieser Situation ergangen? Fühlten Sie sich eher enttäuscht oder ärgerlich oder abgelehnt?“ Mit diesem Angebot fällt es leichter, die eigenen Gefühle besser einzuordnen.

In der Coachingausbildung geben wir den Teilnehmern gern eine flapsige Regel mit, nämlich FF. FF steht für Frage stellen, Fresse halten. Das ist zwar einigermaßen rustikal, hat aber den Vorzug, dass man sie sich leicht merken kann. Die Teilnehmer der Coachingausbildungen bei uns wissen sie zu schätzen! Sie hilft dabei, daran zu denken, den Coachees genügend Raum zu geben und es geduldig abzuwarten, wenn die Pause nach der Frage sich länger hinzieht.

Es gibt einen zweiten Punkt beim Fragenstellen, den wir in der Coachingausbildung beleuchten. Jedem Coach muss klar sein, dass mit jeder Frage, die gestellt wird, die Aufmerksamkeit des Klienten in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Eine Frage ist wie ein Scheinwerfer, der etwas ganz Bestimmtes beleuchtet. Nehmen Sie als Beispiel die beliebte Frage: „Was hindert Sie daran, dieses oder jenes zu tun?“ Wenn man sich genau anschaut, wohin man mit dieser Frage den Scheinwerfer richtet, wird man feststellen, man richtet die Aufmerksamkeit nach außen. Das heißt, der Klient wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Suche nach äußeren Gründen gehen. Stellt der Coach die Frage nur ein wenig anders, nämlich „Wie hindern Sie sich daran, dieses oder jenes zu machen?“ werden gänzlich andere Suchprozesse ausgelöst. Das bedeutet, der Klient muss mehr innen suchen und gleichzeitig mehr Verantwortung für sein Handeln übernehmen. In der Coachingausbildung den Fokus auf diese subtilen Mechanismen der Fragenstellung zu richten, ist für die Teilnehmenden wichtig, um zu lernen, solche Fragen zu stellen, die den Coachingprozess voranbringen.