Tipps im Umgang mit Konflikten

| Ulrich Dehner
Nachdem im letzten Beitrag von der Problemanalyse die Rede war, wollen wir in diesem Beitrag auf einen ebenfalls wichtigen Punkt im Führungsalltag eingehen: Der Umgang mit Konflikten. Ein Grundübel von Konflikten ist, dass jeder erst selbst verstanden werden will, statt zunächst zu versuchen, den anderen zu verstehen. Ein Konflikt löst sich viel leichter, wenn man bereit ist, zuerst die Sichtweise des anderen kennenzulernen. Dazu werden ein paar der wichtigsten Problemlösestrategien vorgestellt.
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Konfliktlösestrategien

Eine der wichtigsten ist das, was auch bei der Problemanalyse der wichtigste Punkt war: Fragen stellen, statt zu Angriff oder Verteidigung zu rüsten! Denn der Fragebedarf ist weit größer als man denkt. Mit Fragen erfährt man auch etwas ganz Entscheidendes, um einen anderen Menschen zu verstehen, den Bezugsrahmen.

BEZUGSRAHMEN KLÄREN

Da im Konfliktfall für gewöhnlich zwei unterschiedliche Bezugsrahmen vorhanden sind, ist es hilfreich, zunächst den Bezugsrahmen des anderen zu klären. Zur Erinnerung: Im Bezugsrahmen eines Menschen fließen Selbstbild und Weltbild zusammen, dazu kommen die Erfahrungen, die im Laufe eines Lebens gemacht wurden, sowie die Werte, die man von Eltern und anderen Autoritätsfiguren übernommen und jene, die man sich selbst angeeignet hat. Der Bezugsrahmen ist die Brille, durch die der Mensch auf die Welt schaut. Er ist ausschlaggebend für unser Denken, Handeln und Fühlen, ja sogar für unsere Wahrnehmung. Konflikte entstehen manchmal einfach dadurch, dass zwei unterschiedliche Bezugsrahmen aufeinanderprallen (Mutter verzweifelt zum heranwachsenden Sohn: „Kannst du nicht mal ein bisschen für Ordnung in deinem Zimmer sorgen?“ Sohn empört: „Ich habe heute extra aufgeräumt!“).

Um hinter den Bezugsrahmen eines Menschen zu kommen, muss man seine Worthülsen knacken. Das sind all jene Begriffe, in die jeder das hineininterpretiert, was laut seinem Bezugsrahmen da hineingehört. Solange man die Worthülsen nicht geknackt hat, weiß man gar nicht, worüber man redet. Typische Worthülsensätze: Sie brauchen für diese Arbeit viel zu viel Zeit (was genau ist „viel zu viel“?) / Ihr Arbeitseinsatz lässt zu wünschen übrig (Woran machen Sie das fest?  Was genau erwarten Sie?) / In nächster Zeit sollte es in Ihrer Abteilung einige Veränderungen geben (Bis wann? Welche Veränderungen?) / Da hätte ich mehr von Ihnen erwartet (Was genau hätten Sie denn erwartet?) / Sie machen doch sowieso immer nur, was Sie wollen (um welche Handlung geht es, was bedeutet „immer“) / Sie haben Ihr Budget gewaltig überschritten (was heißt „gewaltig“ in Euro?) / Könnten Sie mir einen kleinen Gefallen tun? (was bedeutet „klein?“).

Durch Fragen lernt man nicht nur den Bezugsrahmen des anderen kennen, sondern man zeigt durch viele Fragen auch, dass man sich wirklich Mühe gibt, den anderen zu verstehen. Das nimmt dem Konflikt oft schon die Aggressivität. Damit die Kenntnis des Bezugsrahmens wirklich hilfreich wird, muss aber noch etwas anderes hinzukommen:

DIE SICHTWEISE/DEN BEZUGSRAHMEN DES ANDEREN BESTÄTIGEN

Das trägt in einer Konfliktsituation dazu bei, dass beide Parteien sich aufeinander zu bewegen können. In einem Konflikt will man, dass der andere die eigene Sichtweise übernimmt, weil man sie für die richtige oder bessere hält. Deshalb greift man die Sichtweise des anderen an. Man erreicht dadurch jedoch genau das Gegenteil. Der andere sieht sich dadurch veranlasst, seine Sichtweise zu verteidigen. Je vehementer sie angegriffen wird, desto vehementer verteidigt er sie, mit dem Ergebnis, dass sich beide Positionen verfestigen, statt sich anzunähern. Die Voraussetzung dafür, dass jemand seine Position verlassen kann, ist die grundsätzliche Akzeptanz dieser Position.

Bestätigt man dem anderen, dass seine Sichtweise eine mögliche Sichtweise ist, für die man Verständnis hat, braucht er sie nicht verteidigen, sondern kann anfangen nachzudenken. Das bedeutet nicht, dass man ihm uneingeschränkt Recht gibt, sondern zeigt ihm, dass er verstanden wird. Man wird die Erfahrung machen, dass meistens allein das schon für Deeskalation sorgt. Wenn man so weit ist, dass man vernünftig miteinander reden kann, kommt der nächste Punkt:

KLÄREN, WAS WILL DER ANDERE, WAS WILL ICH

Sinnvoll ist es, zunächst einmal genau zu erfragen, was der andere ganz konkret will.

Genauso wichtig, dass man selbst möglichst schnell konkret sagt, was man haben möchte, um den anderen gar nicht erst in die Situation zu bringen, sich das Schlimmste auszumalen.

Beispiel: Eine Sekretärin, die gerade unter Zeitdruck ein längeres Schriftstück fertiggestellt hat, wird von ihrem Chef darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht CI-gemäß formatiert ist. Sie befürchtet schon, alles noch einmal machen zu müssen, fragt aber nach, was genau ihr Chef jetzt von ihr erwartet. Er antwortet: „Im Moment nichts, aber es wäre gut, wenn Sie in Zukunft darauf achten könnten.“

Zukunft – auch das ist ein wichtiges Stichwort, wenn es um den Umgang mit Konflikten geht:

ZUKUNFT STATT VERGANGENHEIT

Wichtig ist, in die Zukunft zu sehen, statt die Vergangenheit klären zu wollen und sich deshalb eher mit der Frage: „Wie wollen wir mit dem, was passiert ist, in Zukunft umgehen“, zu befassen.

Statt endlos Zeit damit zu vergeuden, die Vergangenheit, die sich ohnehin nicht mehr einholen lässt, zweifelsfrei und „historisch richtig“ zu rekonstruieren, ist es viel nützlicher, sich gemeinsam zu überlegen, wie man einen solchen Konflikt in Zukunft verhindern kann. Wie will man in Zukunft miteinander umgehen, damit die Kommunikation reibungslos klappt? Welche Regeln will man gegebenenfalls vereinbaren, um zukünftige Konflikte zu vermeiden?

Aber welche Regeln man auch immer vereinbart, es kann trotzdem passieren, dass es mal einen mehr oder weniger hässlichen Ausbruch eines Beteiligten gibt. Dafür empfiehlt sich folgendes:

ANGRIFFE UND SPITZEN IGNORIEREN

Konflikte sind oft von großer Verärgerung begleitet, die sich durch verbale Attacken wie Ironie, Provokationen oder auch lautstarkes Schimpfen äußert. Der Verärgerte lässt Dampf ab und schießt dabei auch mal über das Ziel hinaus. Für den Verlauf eines Konflikts ist es besser, diese Verbalattacken nicht persönlich zu nehmen, sondern dem Konto „Verärgerung“ zuzuschreiben. Denn wenn man sich verteidigt oder zum Gegenangriff übergeht, wird die Situation immer weiter eskalieren, statt sich zu klären.

Um gelassen zu bleiben und sich nicht persönlich getroffen zu fühlen, ist es hilfreich sich klarzumachen, dass sich jeder, auch man selbst, aus Wut schon mal im Ton vergriffen hat und Dinge gesagt hat, die einem hinterher leidtun.

Daher noch ein letztes Wort zu Emotionen in Konflikten:

Viele Menschen glauben, emotional oder sachlich zu sein seien Gegensätze, die sich gegenseitig ausschließen. Das stimmt jedoch nicht. Man kann in Konflikten durchaus emotional sein und trotzdem sachlich bleiben. Es kommt darauf an, Abwertungen und Verzerrungen wegzulassen, dann kann man z.B. Ärger sehr emotional, aber absolut sachbezogen, zum Ausdruck bringen.